Digitale Ethik 2: Dr. Elke Eller und Robin Mesarosch

Am 31. März 2022 fand die zweite Ausgabe der „Impulsreihe Digitale Ethik“ in Kooperation mit dem Ethikbeirat HR Tech statt. Multi-Aufsichtsrätin, Personalexpertin und Co-Initiatorin des Ethikbeirats Dr. Elke Eller diskutierte mit Robin Mesarosch MdB, Mitglied im Ausschuss für Digitales, über praktische Anwendungen von Künstlicher Intelligenz im Personalwesen.

Viele Anwendungsmöglichkeiten – wenige Anwender

Dr. Eller erklärte, dass Künstliche Intelligenz Personalarbeit besser machen kann – wenn sie im richtigen Kontext implementiert wird. Sie skizzierte acht mögliche Anwendungsbereiche:

  • Analyse von Lebensläufen,
  • Optimierung von Stellenanzeigen,
  • Chatbots als Ansprechpartner,
  • Matching von Profilen,
  • Erstellung von Rankings,
  • Vorschläge für Entwicklungsmaßnahmen,
  • Analyse von Audio/Videoaufnahmen und
  • Vorhersagen von Kündigungsabsichten.

Diese Anwendungsmöglichkeiten müssen jedoch in einem reflektierten Prozess implementiert werden. Entsprechend der Richtlinien für den verantwortungsvollen Einsatz von KI im Personalwesen des Ethikbeirats HR Tech, gilt es insbesondere, menschenzentriert zu agieren. Der Ethikbeirat empfiehlt unter anderem, dass wichtige Entscheidungen in letzter Instanz von Menschen getroffen werden und die Datenqualität auf Diskriminierungsrisiken geprüft wird. Zudem müsse sichergestellt werden, dass personenbezogene Daten nur mit Einwilligung erhoben werden.

Wie Künstliche Intelligenz im Personalwesen Mehrwert schaffen kann.

Um die KI-Implementierung im Personalwesen positiv zu gestalten, formulierte Dr. Eller drei Forderungen an die Politik: Zum einen müssen politische Entscheider*innen sich mit den spezifischen Anwendungsmöglichkeiten, Risiken und Chancen im Personalwesen vertraut machen, um zielgerichtete Gesetzesentwürfe zu gestalten. Außerdem müssten politische Entscheidungsträger*innen die Weichen dafür legen, dass eine breite digitale Grundbildung verankert ist, um Wirkungsmechanismen von Algorithmen zu begreifen. Zudem könnte eine Art Zertifizierung für Algorithmen hilfreich sein.

Zwar ist die Bandbreite der Möglichkeiten für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Personalwesen groß, allerdings gebe es bisher sehr wenige Unternehmen, die „echte KI“ anwenden, konstatierte Dr. Eller.

Ja, die Politik kann regulieren, aber die Probleme mit KI liegen woanders

Robin Mesarosch, Mitglied des Bundestages, stimmte Dr. Eller zu, dass die Politik sich mit den konkreten Möglichkeiten und Beispielen von KI-Anwendungen auseinandersetzen müsse, um beispielsweise Diskriminierung zu verhindern. Mesarosch sieht zum einen Gefahr, dass KI, die auf Grundlage von Daten aus der Vergangenheit entwickelt wurde, Stereotype eher verstärkt und nicht aufbricht. Während manche KI-Lösungen versprechen, persönliche unterbewusste Präferenzen zu durchbrechen, sei eher die Verstärkung von Präferenzen ein Risiko laut Mesarosch.

Zum anderen sieht Mesarosch die Gefahr, dass in bestimmten Positionen und Hierarchiestufen die Analyse von Bewerbungen durch KI problematisch sein kann. Bei Berufseinsteigern sei es viel schwieriger qualitative Bewertungen zu erreichen. Auch bei Berufsgruppen, die eine hohe soziale Komponente haben – beispielsweise in der Bildung – sei es aus seiner Sicht nicht empfehlenswert, KI Entscheidungen fällen zu lassen. Die sozialen Fähigkeiten und zwischenmenschlichen Talente seien schwer zu quantifizieren. Es müsse in solchen Fällen gewährleistet sein, dass Menschen die finale Entscheidung treffen.

Der Abgeordnete sieht allerdings viele Probleme mit Künstlicher Intelligenz nicht in der Technologie, sondern an der Gesellschaft. „Wenn es keinen Rassismus in der Gesellschaft gäbe, gäbe es ihn auch nicht in der Künstlichen Intelligenz“, erklärt Mesarosch. Die KI würde Missstände abbilden, die in der Realität verankert sind.

Es gibt gute Lösungen im Personalwesen – doch nicht überall steckt „KI“ drin

Dr. Eller plädierte für eine differenzierte Sicht auf Künstliche Intelligenz. Die Anwendungsfälle müssten von politischen Entscheidungsträger*innen branchenspezifisch bewertet werden. Im Personalwesen kann Künstliche Intelligenz gut eingesetzt werden, da es eine Vielzahl von Daten – beispielsweise Bewerbungen – gibt, auf deren Grundlage ein KI-gestütztes System lernen kann. Allerdings stecke nicht überall KI drin, wo KI draufsteht. Das Thema sei gegenwärtig ein Verkaufsschlager, doch oft fehle die Substanz.

Die Personalexpertin  beobachtet, dass in Deutschland oft Abstrakt über Themen gesprochen wird, doch dies zu falschen Schlussfolgerung führe. Unternehmen in Deutschland würden die digitale Transformation oft mit Datenschutz und einem entsprechenden Beauftragten gleichsetzen. Doch die digitale Transformation samt der Einführung von KI-Lösungen, die zu besserer Personalarbeit, mehr Zeit für zwischenmenschlichen Austausch und einem Wegfall von repetitiven Routinetätigkeiten führt, erfordert Tatkraft für konkrete Anwendungen.

Lesen Sie den Rückblick zur ersten Ausgabe der „Impulsreihe Digitale Ethik“ mit Michael Kramarsch und Tobias Bacherle MdB:

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