Mehr Hürden als vermutet: Berufseinstieg für die Gen Z

„Stell dir vor, es herrscht Fachkräftemangel und du bist arbeitslos.“ Mit diesem Satz könnte man den irritierenden Umstand beschreiben, dass im Juli 2022 30 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber für einen Ausbildungsplatz noch keine passende Stelle gefunden haben. Die junge Generation streckt gegenwärtig langsam ihre Fühler auf dem Arbeitsmarkt aus und begegnet einigen Hürden. Was die Interessen der jungen Menschen sind und welche Trends sich auf dem Arbeitsmarkt abzeichnen, zeigt diese Zusammenfassung. 

Welche Berufs- und Karrierewege junge Menschen einschlagen 

Oft wird darüber debattiert, ob die jüngeren Generationen sich von den älteren Kohorten maßgeblich unterscheiden. Wenn es um die Präferenzen der Berufsausbildung geht, kann man diese Vermutung nicht bestätigen. Wie das Bundesinstitut für Berufsbildung zusammenfasst, zeigt sich beim Blick in die Abschlüsse der Ausbildungsberufe im Jahr 2021 ein bekanntes Bild:  

Junge Frauen wählen am häufigsten diese Ausbildungsberufe: 1. Medizinische Fachangestellte, 2. Kauffrau für Büromanagement, 3. Zahnmedizinische Fachangestellte, 4. Verkäuferin, 5. Kauffrau im Einzelhandel, 6. Industriekauffrau, 7. Verwaltungsfachangestellte, 8. Friseurin, 9. Steuerfachangestellte, 10. Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement.  

Junge Männer hingegen wählen diese Ausbildungsberufe: 1. Kraftfahrzeugmechatroniker, 2. Fachinformatiker, 3. Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, 4. Elektroniker, 5. Verkäufer, 6. Kaufmann im Einzelhandel, 7. Industriemechaniker, 8. Fachkraft für Lagerlogistik, 9. Tischler, 10. Mechatroniker.  

Auffällig ist, dass trotz vielseitiger Diversity-Bemühungen unter den beliebtesten Ausbildungsberufen teilweise ein einseitiges Geschlechterverhältnis bestehen bleibt. 2021 waren nur drei Prozent männliche zahnmedizinische Fachangestellte unter den Absolvent*innen, und lediglich 1,6 Prozent Anlagenmechanikerinnen waren in der Abschlusskohorte im vergangenen Jahr zu finden.  

Die Entwicklung der Ausbildungsberufe steht in direkter Verbindung zum Angebot der Ausbildungsbetriebe. Die Bundesagentur für Arbeit skizzierte im Monatsreport für Juli 2022, dass weiterhin am meisten Ausbildungsplätze in kaufmännischen Berufen angeboten werden.  

Allerdings gibt es zunehmend Schwierigkeiten Unternehmen und Auszubildende zusammenzubringen. Dies liegt nicht nur am demografischen Wandel, der die Ausgangslage für Unternehmen erschwert. Es gibt ein „Passungsproblem“ zwischen Bewerber*innen und Betrieben. Im Juli 2022 wurden über 233.000 unbesetzte Ausbildungsplätze gemeldet, gleichzeitig haben 118.400 Bewerber*innen im selben Monat angegeben, keine Stelle gefunden zu haben. Die Gründe dafür sind vielseitig. Teilweise lehnen Unternehmen Bewerber*innen wegen unzureichender Qualifikationen ab. Bewerber*innen hingegen haben oftmals andere Ausbildungswünsche als das Angebot auf dem Arbeitsmarkt hergibt. 

Wie sieht die Lage unter den Studierenden aus und welche Präferenzen haben sie?  

Das Statistische Bundesamt verzeichnetdeutliche Veränderungen in den Studienbereichen, wenn man die Wintersemester 2004/05 und 2020/21 vergleicht. Es ist auffällig, dass die Zahl der Ingenieurswissenschaftler*innen sich in diesem Zeitraum fast verdoppelt hat: Während 2004 67.000 Personen ein Studium im Bereich der Ingenieurswissenschaften begannen, waren es 2020 128.000.  

Auch die Zahl der Personen, die sich für ein Studium im Bereich Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften interessieren, ist merklich von 115.000 auf 201.000 gestiegen. Ebenfalls beliebter sind Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften geworden: Die Zahl der Erstsemester stieg von 14.000 auf 27.550.  

Negative Entwicklungen sind in den Geisteswissenschaften sowie in den naturwissenschaftlichen Fächern zu beobachten. 2004 schrieben sich 73.000 Menschen für ein geisteswissenschaftliches Studium ein, 2020 waren es 49.000. Im Bereich Naturwissenschaften und Mathematik fiel die Zahl der Erstsemester von 63.000 auf 52.000.  
 

Der demografische Wandel führt nicht automatisch zu einem leichten Berufseinstieg 

Angesichts des demografischen Wandels und dem damit einhergehenden Fach- und Arbeitskräftemangel könnte man erwarten, dass weniger Personen in den jungen Alterskohorten arbeitslos sind. Dies kann man allerdings nicht bestätigen. Die Zahl der Arbeitslosen in den Altersgruppen unter 30 und 20 Jahren ist nicht signifikant niedriger. In manchen europäischen Staaten herrscht zudem noch immer eine überdurchschnittlich hohe Jugendarbeitslosigkeit.  

Junge Menschen bekommen nicht „automatisch“ den Zugang zu guten Arbeitsbedingungen. Unternehmen suchen nämlich häufig Arbeitskräfte mit Erfahrung. „Anfängertätigkeiten“ stehen selten auf der Prioritätenliste von Arbeitgebenden. Eine Studie belegte, dass selbst bei Einstiegsjobs gewisse Fähigkeiten erwartet werden: In  über einem Drittel der Stellenanzeigen für “Einstiegsjobs” werden bereits signifikante Vorerfahrungen vorausgesetzt.  

Zudem sind junge Menschen am häufigsten in befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt – je jünger Beschäftigte sind umso höher ist die Quote der Befristungen.  

Was die Gen Z will, ist nicht leicht zu definieren 

Unterscheiden sich junge Menschen in puncto Erwartungen an den Arbeitsmarkt maßgeblich von anderen Generationen? Marketingstudien legen dies nahe. Allerdings sind viele Generationenportraits voller Widersprüche. Einerseits wird die junge Generation als die „Greta-Thunberg-Generation“ stilisiert, die Nachhaltigkeit und Klimaschutz als höchsten gesellschaftlichen Wert betrachtet, gleichzeitig zeugt das Konsumverhalten junger Menschen teilweise von Verschwendung, was sich insbesondere im Fast-Fashion-Bereich zeigt. Je nach Bildungsgrad und Werteeinstellung unterscheiden sich junge Menschen in dieser Frage stark, wie eine YouGov-Studie zeigt.  

Junge Menschen werden in Analysen oft als Symbol des Kulturwandels in der Arbeitswelt benutzt, obwohl ältere Generationen vom Kulturwandel in der Arbeitswelt ebenfalls profitieren. Es ist nicht nur die Gen Z, die räumliche und zeitliche Flexibilität im Beruf einfordert – auch Personen in der Mitte des Lebens und ältere Generationen geben an, dass mobiles Arbeiten für sie Vorteile bringt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht dabei an oberster Stelle und ist nicht unbedingt ein Aspekt, der die Gen Z in der Breite betrifft.  

Dennoch sind  gewisse Trends für die junge Generation häufiger selbstverständlich als für Ältere. Die Duz-Kultur sowie die Akzeptanz von legerer Kleidung im Berufsalltag sind Aspekte, die in den letzten 20 Jahren zunehmende Verbreitung finden. Auch die Offenheit für den Umgang mit mentalen Belastungen ist gestiegen. Dies bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass alle Menschen, die der Gen Z zugehörig sind, sich mit einer legeren und flexiblen Arbeitskultur wohlfühlen.  

Je nach Branche und Beruf gibt es große Unterschiede in Mentalitäten und Einstellungen. Unternehmen, die junge Fachkräfte suchen, müssen sich auf heterogene Forderungen einstellen und offen für moderne Arbeitsmethoden sein. Denn auch wenn remote work und Co. in allen Generationen gut ankommt, gibt es im Zweifel einen entscheidenden Unterschied: Junge Berufseinsteiger*innen haben wegen der Corona-Pandemie nie das „klassische“ Arbeitsleben kennengelernt. Unternehmen, die keine flexiblen Arbeitsmodelle anbieten, werden ganz genau erklären müssen, weshalb sie sich dagegen entscheiden.  

Das Demographie Netzwerk bietet in Austausch- und Impulsformaten Foren für Diskussionen zwischen Praktiker*innen an. Diese geben ihre Expertise zu altersrechten Arbeitsmodellen, die alle demographischen Gruppen mitdenken. Wir freuen uns, einen Zugang zu Praxistipps, Inspiration und Lehren aus dem betrieblichen Alltag schaffen zu können.  

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