Digital aufs Land: Interview Teil 3

14.06.21 | Die Studie "Digital aufs Land" des Berlin Institutes für Bevölkerung und Entwicklung und der Wüstenrot Stiftung hat die veschiedenen Herausforderungen der Digitalisierung in ländlichen Regionen untersucht. Mitautorin Susanne Dähner hat mit ddn im mehrteiligen Interview über die Studie gesprochen. Welche Konflikte und Gelingensbedingungen es bei neuen Angeboten auf dem Land gibt, lesen Sie im dritten Teil.

Zur Person

Susanne Dähner

Susanne Dähner, Diplom-Geographin und Soziologin, arbeitet seit 2016 am Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die demografische Entwicklung ländlicher Regionen, Digitalisierung und Land, Ehrenamt, Arbeitsmarkt und Fachkräftesicherung sowie Nachhaltigkeit. In den letzten beiden Jahren lag ihr Fokus auf den Chancen der Digitalisierung für den ländlichen Raum.

Welche Konflikte können durch neue Angebote auf dem Land entstehen? Sehen Sie auch Risiken für die Städte?

Die von uns untersuchten Orte sind nicht nur, wie wir zunächst vermutet haben, durch ehemalige Städter initiiert und nach vorn gebracht worden. Oft wohnen die Macher*innen schon lange dort in der Gemeinde. Manche haben beispielsweise auf der Landwirtschaftsmesse Grüne Woche von Coworking Spaces gehört und fanden es eine spannende Idee. So haben wir mit einer Familie gesprochen, die einen Bauernhof mit zahlreichen Geschäftsbereichen betreibt, neben der Landwirtschaft gehören da unter anderem ein Hofladen, ein Kindergarten und eine Schmiede dazu. Dann haben sie ihr Angebot noch um einen Coworking Space ergänzt. Sie haben es insofern leichter, weil sie verwurzelt und bekannt sind. Trotzdem ist ein ländlicher Coworking Space kein Selbstläufer und die potenziellen Nutzer müssen erstmal gefunden werden.

Wer von außen neu in eine Gemeinde kommt, muss vielleicht noch mehr Überzeugungsarbeit leisten, weil die langjährigen Landbewohner nicht wirklich einschätzen können, was der- oder diejenige vorhat. Da ist auf alle Fälle viel Kommunikation, Offenheit und Annäherung nötig. Viele berichten aber auch von der Neugier und dem Interesse der Menschen vor Ort. Von Konflikten haben wir bei den untersuchten Initiativen nicht so oft gehört. Allerdings ist oft ein langer Atem nötig, um sich zu etablieren und die Menschen vor Ort vom Nutzen dieser neuen Angebote zu überzeugen.

Welche zentralen Gelingensbedingungen müssen vorhanden sein, um den Wandel zu ermöglichen?

Ganz zentral ist eine schnelle Internetleitung. Das klingt banal, ist aber längst nicht selbstverständlich auf dem Land. Das muss sich ändern.

Vor Ort ist aber auch Offenheit von der Gemeinde, sich auf Neues einzulassen und neue Angebote auszuprobieren, sehr wichtig. Die Verwaltung muss Lust haben, neue Ideen anzunehmen und zu unterstützen, auch wenn es vielleicht etwas ist, was man so noch nicht kennt. Dabei geht es noch nicht einmal vordergründig um Geld, sondern darum, mit Hilfe der Kommune Türen zu öffnen, Kontakte zu nutzen, zu netzwerken und Förderprogramme kennen zu lernen. Mit Hilfe der Verwaltung kann ein Angebot vielleicht besser beworben und bekannt gemacht werden. Wenn Gründer*innen und Aktive auf eine offene Verwaltung stoßen, lässt sich sehr viel verwirklichen.

So etwas ganz Neues ist beispielsweise der Summer of Pioneers, bei dem meist Großstadtbewohner temporär das Leben in einer kleinere Gemeinde auf dem Land ausprobieren können und gleichzeitig ein Projekt für den Ort umsetzen. Im brandenburgischen Wittenberge sind einige dieser Bewohner auf Zeit inzwischen „echte“ Kleinstadtbewohner geworden und bereichern das Leben vor Ort mit neuen Initiativen.

Ein weiterer Punkt ist natürlich die Finanzierung. Viele der neuen Initiativen starten klein und können zunächst finanziell kaum auf eigenen Beinen stehen. Sie sind zumindest in den ersten Jahren auf Fördergelder angewiesen. Der Aufwand an diese finanzielle Unterstützung zu kommen, ist jedoch meist immens, es müssen Förderdatenbanken durchforstet und Auflagen genau studiert werden. Oft passen die neuartigen Formate dann auch nicht in vorhandene Förderrichtlinien. Sinnvoll wäre, den Zugang zu bestimmten Fördertöpfen zu erleichtern und auch Experimentier- und Spielräume in vorhandenen Förderstrukturen einzuräumen.  

Was können verschiedene Akteure tun, um diese Bedingungen zu schaffen?

Hilfreich ist sicher, Kontakt zu schon bestehenden Netzwerken oder Genossenschaften aufzunehmen, wie die CoWorkLand Genossenschaft oder das Netzwerk Zukunftsorte in Brandenburg. Sie haben schon zahlreiche Erfahrungen gesammelt und können bei Fragen unterstützen, gleichzeitig bieten sie die Gelegenheit, sich mit anderen Akteuren zu vernetzen.

Wer von der Stadt aufs Land kommt, auch nur zum ‚Ausprobieren‘, sollte offen sein, Kontakte suchen, die lokale Gemeinschaft kennenlernen. Es ist nicht zielführend, wenn abgekapselte Räume entstehen, gerade weil die neuen Angebote ja auch Publikum und Nutzer*innen brauchen. Neuankömmlinge sollten bereit sein, sich auf die Menschen an ihrem neuen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt einzulassen. So erfährt man auch, was die lokalen Bedürfnisse sind, was vor Ort vielleicht noch an Angeboten fehlt und was schon vorhanden ist und schafft keine doppelten Strukturen. Dazu benötigt es viel Kommunikation und mancherorts auch Fingerspitzengefühl.

Auch Menschen, die auf dem Land schon lange tief verwurzelt sind, müssen meist viel Überzeugungsarbeit leisten, wenn Sie ein neues Angebot schaffen wollen. Sie wollen selbst Neues ausprobieren, aber auch etwas aufbauen, was ihnen vor Ort fehlt. Gleichzeitig möchten sie auch andere inspirieren und motivieren, selbst aktiv zu werden. Auch langjährige Landbewohner müssen viel kommunizieren und Überzeugungsarbeit leisten. Hilfreich ist es oft, die Angebote niedrigschwellig zu gestalten, sodass viele Menschen sie ohne große Hürden mal ausprobieren und kennenlernen können.

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