Blick verändern, Fachkräfte erhalten

Berlin, 03.12.2024 - Am 3. Dezember begeht die Weltgemeinschaft den „Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen“. Für Das Demographie Netzwerk ddn in Berlin ein guter Tag, um die wichtige Rolle von Menschen mit Behinderungen für die Gestaltung des demografischen Wandels zu unterstreichen. Dabei rückt ddn in den Fokus, dass viele Beeinträchtigungen erst im Laufe des Lebens entstehen.

Laut Statistischem Bundesamt haben derzeit rund acht Millionen Menschen in Deutschland eine schwere Behinderung. Das sind 9,3 Prozent der Bevölkerung. Rund drei Prozent der Behinderungen sind angeboren oder treten im ersten Lebensjahr auf. Die meisten Behinderungen stellen sich erst im Laufe des Lebens ein. Ursachen sind chronische Krankheiten, Erkrankungen der inneren Organe, etwa Krebs, Schäden an Armen, Beinen, Rumpf oder Wirbelsäule oder auch seelische Behinderungen. Oft ist die Beeinträchtigung unsichtbar.

„Die Zahlen zeigen uns, dass wir den Blick auf Menschen mit Behinderungen und unseren Umgang mit ihren Beeinträchtigungen verändern müssen, dass wir hier mehr denn je auch eine unternehmerische Gestaltungsaufgabe sehen sollten“, sagt Niels Reith, Vorstandsmitglied von Das Demographie Netzwerk e.V. (ddn) und Geschäftsführer der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V. (GVG). „Viele Menschen mit Behinderungen stehen der Wirtschaft schon viele Jahre als Fachkräfte zur Verfügung, sind gut ausgebildet, erfahren, leistungsbereit.“ Er betont: „Hier sollten wir ansetzen. Bei der Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen geht es zwar immer auch darum, ihnen berufliche Teilhabe zu ermöglichen, sie auszubilden und zu beschäftigen. Noch mehr müssen wir uns in der Arbeitswelt darum kümmern, Menschen mit erworbenen Behinderungen durch inklusive Ansätze, gute Rahmenbedingungen und Unterstützungsangebote im Betrieb zu halten.“ Reith unterstreicht zugleich das Potenzial für die Gestaltung des demografischen Wandels: „Wir dürfen Menschen mit Behinderungen und ihre Expertise nicht verlieren. Inklusive Ansätze sind nicht nur für die Betroffenen selbst äußerst wertvoll, sondern helfen auch, den Fachkräftemangel zu bewältigen.“

Inklusion sei kein Randthema und mehr als eine Fürsorgepflicht, betont auch Diana Scholl, ddn-Vorstandsmitglied und Geschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Berufsförderungswerke e.V. (BV BFW). „Inklusion ist wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit ein gesamtunternehmerisches Querschnittsthema, eine Führungsaufgabe. Sie sollte stets mitgedacht werden.“ Voraussetzung für das Gelingen von Inklusion sei das Commitment der Geschäftsleitung. Scholl sieht diverse übergreifende Vorteile: „Vor allem kann ein Betrieb, der Inklusion mitdenkt, natürlich schneller reagieren, wenn Mitarbeitende erkranken und im Anschluss veränderte Rahmenbedingungen benötigen. Von inklusiven Ansätzen profitieren aber nicht nur die Menschen mit Beeinträchtigungen – ein inklusives Arbeitsumfeld schafft ein Gefühl der Zugehörigkeit und erhöht die Mitarbeiterzufriedenheit. Und nicht zuletzt entscheiden sich neue Kandidaten mit, aber auch ohne Behinderungen lieber für inklusive Unternehmen. Inklusion macht Arbeitgeber attraktiver und bietet Wettbewerbsvorteile.“

Ein wichtiger Teilaspekt der Inklusion ist für Scholl die Wiedereingliederung. „Der Gesetzgeber schreibt allen Unternehmen Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) vor. Ich empfehle, dies bereits dann zu berücksichtigen, wenn die Betroffenen zum ersten Mal auf ihre Vorgesetzten zugehen. Natürlich steht die Genesung im Vordergrund, aber zu wissen, dass man unter entsprechend angepassten Bedingungen Perspektiven bekommt und beruflich Anschluss hält, hilft auch bei der Bewältigung dauerhafter Beeinträchtigungen.“ Zugleich rät Scholl dazu, Behinderungen offener zu thematisieren. „Menschen mit Beeinträchtigungen haben oft Angst vor Stigmatisierung, schweigen über ihre Erkrankung. Hier können innerbetriebliche Betroffenen-Netzwerke, empathische Teams oder auch unternehmensübergreifende Lösungen es den Erkrankten erheblich leichter machen.“

Im Übrigen leisten unterschiedlichste Institutionen Unterstützung. „Arbeitsagentur, Jobcenter, Integrationsämter, Integrationsfachdienste, Rentenversicherung, die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA), wir als Berufsförderungswerke helfen Unternehmen und Betroffenen mit Beratung und/oder Förderung“, sagt Scholl, die sich hier noch eine weitere Verzahnung – auch mit anderen Wirtschaftsorganisationen - wünscht. Und auch Betroffeneninitiativen sind gute Ansprechpartner. Niels Reith etwa engagiert sich in der yeswecan!cer gGmbH für die berufliche Teilhabe von Krebserkrankten. „Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 500.000 Menschen an Krebs, zwei Drittel davon sind im erwerbsfähigen Alter. Das zeigt exemplarisch, dass eine schwere Erkrankung jeden treffen kann und dies oft mitten im Arbeitsleben geschieht.“ Neben Beratung, praktischer Unterstützung und Vernetzung von Betroffenen möchte yeswecan!cer daher auch das Thema „Arbeiten mit Krebs“ stärker ins Bewusstsein bringen.

Diana Scholl findet: „Es sind immer noch zu viele Unternehmen und Betriebe, die keine Menschen mit Behinderungen beschäftigen. Wir sollten weiter darüber nachdenken, welche Anreize wir zusätzlich setzen können und welche Unterstützung sie benötigen. Viele Beispiele zeigen, es lohnt sich!“ Die beiden ddn-Vorstände wünschen sich, dass die Gesellschaft sich zu Fragen der Inklusion noch deutlich mehr vernetzt und austauscht als bisher. „Wir als ddn bieten dafür ein Forum. Wenn sich alle zusammentun – Unternehmen, Förderer, Betroffenenorganisationen, Politik –, miteinander an dem Thema arbeiten, es positiv bewerben, Erfahrungen und Ideen teilen, dann wird Inklusion endlich zur Normalität. Und auch das Fachkräftepotenzial bleibt besser erhalten.“

Über Das Demographie Netzwerk e.V. (ddn): Das Demographie Netzwerk e. V. (ddn) ist ein gemeinnütziges Netzwerk von Unternehmen und Institutionen, die den demografischen Wandel als Chance begreifen und aktiv gestalten wollen. ddn wurde 2006 auf Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und im Kontext der Initiative neue Qualität der Arbeit (INQA) gegründet. Die Mitglieder engagieren sich mit dem Anspruch „gemeinsam Wirken“ und in kollaborativer Zusammenarbeit. In regionalen und überregionalen Foren, in digitalen und persönlichen Treffen bearbeitet das Netzwerk Themen wie Qualifizierung, Digitalisierung, Führung und Diversity. ddn initiiert, leitet und unterstützt Förder- und Forschungsprojekte zu seinen Themen. Seit 2020 verleiht ddn den Deutschen Demografie Preis ddp.


Pressekontakt:
Andreas Scheuermann
Tel.: 0611-1666-1424
Mail: redaktion@auctority.net

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